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DER MENSCH BRAUCHT GOTT, SONST IST ER HOFFNUNGSLOS
Hinführung zur zweiten Enzyklika von Papst Benedikt XVI.
über die christliche Hoffnung
Bischof Kurt Koch
Die Eschatologie, die Lehre von den letzten Dingen, ist im Grunde die Lehre
von der christlichen Hoffnung. Eine solche hat der Theologieprofessor Joseph
Ratzinger im Jahre 1977 vorgelegt und von diesem Buch in seiner
Autobiographie Aus meinem Leben gesagt, er sehe es als sein am meisten
durchgearbeitetes Werk an. In seinem neuen Vorwort zur Neuauflage dieses
Werks, das er als Papst Benedikt XVI. geschrieben hat, gibt er als
entscheidenden Hintergrund seiner damaligen Publikation an, dass die
Hoffnung damals nur noch als eine die Welt verändernde Tat angesehen wurde,
aus der eine bessere Welt hervorgehen sollte: Hoffnung wurde so
politisch, und ihre Vollstreckung erschien dem Menschen selbst aufgetragen.
Das Reich Gottes, um das im Christentum alles kreist, werde das Reich des
Menschen sein, die bessere Welt von morgen.
Damit ist auch die Stossrichtung der zweiten Enzyklika benannt, die Papst
Benedikt XVI. der christlichen Hoffnung gewidmet hat, nachdem seine erste
Deus caritas est die Liebe zum Thema hatte. Weil wir auf Hoffnung hin
gerettet sind, wie Paulus sagt, hat der Papst seiner Enzyklika den Titel
Spe salvi gegeben. Hoffnung ist für ihn das zentrale Leitwort des
christlichen Glaubens. Er erblickt das Unterscheidende der Christen darin,
dass sie Zukunft haben: Erst wenn Zukunft als positive Realität gewiss
ist, wird auch die Gegenwart lebbar. Die christliche Botschaft von der
Hoffnung ist dabei nicht bloss eine informative, sondern eine
performative Sprache, die Tatsachen wirkt und Leben verändert (Nr. 2).
Im ersten Teil zeigt der Papst, dass der Glaube die Substanz der Hoffnung
ist und wie im Neuen Testament und in der frühen Kirche die christliche
Hoffnung verstanden worden ist, nämlich als Warten auf etwas Kommendes, das
aber von einer geschenkten Gegenwart her erfolgt: Es ist Warten in der
Gegenwart Christi, mit dem gegenwärtigen Christus auf das Ganzwerden seines
Leibes, auf sein endgültiges Kommen hin (Nr. 9). Die christliche Hoffnung
richtet sich deshalb nicht auf Etwas, beispielsweise auf einen in die
Zukunft gerichteten Wunsch, sondern auf ein Jemand, auf eine Person, auf
Jesus Christus, der der Menschheit Gott und damit die wahre Hoffnung
gebracht hat. Christliche Hoffnung ist deshalb weder eine Utopie noch ein
Prinzip, sondern eine Person.
Im nächsten Teil präzisiert der Papst, dass sich die christliche Hoffnung
auf das ewige Leben ausrichtet. Mit sehr sensiblen Beobachtungen weist er
auf die Paradoxie im menschlichen Leben hin, dass der Mensch auf der einen
Seite nicht sterben und auf der anderen Seite auch nicht ewig und damit
gleichsam endlos leben möchte. Diese Paradoxie deutet darauf hin, dass wir
das eigentlich nicht kennen, auf das wir zutiefst hoffen, und dass das Wort
ewiges Leben versucht, diesem unbekannt Bekannten einen Namen zu geben,
nämlich dem Eintauchen des Menschen in den Ozean der unendlichen Liebe, in
dem es keine Zeit, kein Vor- und Nachher mehr gibt (Nr. 12).
Mit dieser Konzentration der christlichen Hoffnung auf das ewige Leben hat
man dem Christentum aber den Vorwurf gemacht, dass seine Hoffnung
heilsindividualistisch ausgerichtet sei. Auf diesen Vorwurf geht der Papst
in einem eigenen Abschnitt ein und zeigt nicht nur, dass sich christliche
Hoffnung immer auf eine gemeinschaftliche Wirklichkeit 2
richtet, sondern er erblickt den eigentlichen Grund für diesen Vorwurf in
der Umwandlung des christlichen Hoffnungsglaubens in der Neuzeit, mit der
die Erlösung und damit die Wiederherstellung des verlorenen Paradieses nicht
mehr vom Glauben erwartet wird, sondern von der Wissenschaft und vom
politischen Handeln. Dass sich nun der Glaube an den wissenschaftlichen
Fortschritt als neue Gestalt der christlichen Hoffnung herausstellt, dies
zeigt der Papst in den denkerischen Entwicklungen von Friedrich Engels über
Karl Marx bis zu Lenin auf und legt dar, dass deren eigentlicher Irrtum der
Materialismus gewesen ist: Der Mensch ist eben nicht nur Produkt
ökonomischer Zustände, und man kann ihn allein von aussen her, durch das
Schaffen günstiger ökonomischer Bedingungen, nicht heilen (Nr. 21).
Demgegenüber stellt sich die christliche Hoffnung als grossartige
Verteidigung der menschlichen Vernunft und Freiheit dar.
Nachdem diese grossen Verheissungen der Neuzeit erst recht menschenunwürdige
Strukturen geschaffen und sich so als ideologische Mythen entlarvt haben,
ist es wieder möglich geworden, die wahre Gestalt der christlichen
Hoffnung zu zeigen. Bei allen kleineren und grösseren Hoffnungen, die der
Mensch jeden Tag braucht und die ihn auf dem Weg halten, kann doch die ganz
grosse Hoffnung nur Gott sein, der das Ganze umfasst und dem Menschen
schenken kann, was er allein nicht zu geben vermag: Die wahre, die grosse
und durch alle Brüche hindurch tragende Hoffnung des Menschen kann nur Gott
sein der Gott, der uns bis ans Ende, bis zur Vollendung geliebt hat
und liebt (Nr. 27). Deshalb erlösen nicht die Wissenschaft und die
politische Praxis den Menschen, sondern nur die Liebe.
Im letzten Teil konkretisiert der Papst weiter, was die christliche Hoffnung
auf das wahre Leben beinhaltet, indem er auf praktische Lern- und Übungsorte
der Hoffnung eingeht. Solche sieht er nicht nur im Gebet, sondern auch im
Tun und Leiden des Menschen, in dem er des Trostes der mitleidenden Liebe
Gottes und damit der con-solatio im ursprünglichen Sinn des Wortes
gewiss sein darf. Der entscheidende Lern- und Übungsort der Hoffnung aber
ist der Ausblick auf das Letzte Gericht, weil nur von ihm her Gerechtigkeit
für alle Menschen, vor allem für die zu kurz gekommenen und in ihrer Würde
beschädigten Menschen, möglich werden kann. Der Glaube an das letzte Gericht
ist deshalb keine Drohbotschaft, sondern in erster Linie Evangelium und
Hoffnung, da Gott selbst in der Gestalt des leidenden Christus, der die
Gottverlassenheit des Menschen mitträgt (Nr. 43), sein wahres Gesicht
gezeigt und Gericht und Gnade so ineinander gefügt hat, dass Gerechtigkeit
für alle Menschen verwirklicht werden kann.
Die Enzyklika endet mit einem Ausblick auf Maria, den Stern und die Mutter
der Hoffnung, die mit ihrem Ja-Wort Gott selbst die Türe in unsere Welt
geöffnet und damit das Ziel unserer Hoffnung vor Augen geführt hat. Mit
dieser Enzyklika erinnert der Papst nicht nur an die elementare
eschatologische Dimension des christlichen Glaubens, sondern er gibt auch
ein weiteres schönes Beispiel dafür, was Elementarisierung des Glaubens in
der heutigen pluralistischen und relativistischen Welt heisst. Seine
Verkündigung konzentriert sich nicht auf Gebote und Verbote, sondern auf die
Schönheiten des christlichen Glaubens. Er löst damit jenes Grundsatzprogramm
ein, das er selbst in seinem grossen Interview vor dem Besuch in Bayern mit
den Worten formuliert hat: Das Christentum, der Katholizismus ist nicht
eine Ansammlung von Verboten, sondern eine positive Option. Und die wieder
zu sehen ist ganz wichtig, weil die fast ganz aus dem Blickfeld verschwunden
ist. Man hat so viel gehört, was man nicht darf, dass man jetzt hingegen
sagen muss: Wir haben aber eine positive Idee (Interview vom 5. August
2006). Von dieser Grundüberzeugung ist die ganze Enzyklika über die
christliche Hoffnung getragen. 3
Die Enzyklika wird bewusst am 30. November, am Fest des Heiligen Andreas,
vom Papst unterzeichnet und veröffentlicht. Andreas, der Bruder des Petrus,
ist der Patron des Sitzes der orthodoxen Kirche in Konstantinopel und wird
in der byzantinischen Liturgie mit dem Beinamen Protoklitos (der
Erstberufene) verehrt. Wie zwischen Petrus und Andreas eine brüderliche
Beziehung gelebt hat, so fühlen sich die Kirche von Rom und die Kirche von
Konstantinopel als Schwesterkirchen, die sich an ihren Hochfesten
gegenseitig besuchen. Wenn Papst Benedikt XVI. seine Enzyklika am Festtag
des Heiligen Andreas veröffentlicht, bringt er damit auch seine grosse
Hoffnung zum Ausdruck, dass zwischen beiden Kirchen endlich wieder volle
Kirchen- und Eucharistiegemeinschaft gelebt werden kann. Denn christliche
Hoffnung muss ökumenisch bewährt werden, wenn sie in der heutigen Welt
glaubwürdig sein will.
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Walter Müller
Pressesprecher und Informationsbeauftragter der SBK
Tel. ++41/(0)26/322.47.94 Fax ++41/(0)26/322.49.93
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