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Deutsche Übersetzung des Kommentars vom 4.10.2020.
Pressemitteilung
Kommentar zu «Fratelli tutti»-Enzyklika von Papst Franziskus
<http://w2.vatican.va/content/francesco/fr/encyclicals/documents/papa-francesco_20201003_enciclica-fratelli-tutti.html>
«Fratelli tutti» oder die Enzyklika eines universellen Aufrufs zum Dialog aus Achtung vor
der Würde jedes einzelnen Menschen
Ein Lied unter Zitaten aller Art ...
Der Heilige Vater zitiert in seiner Enzyklika überraschenderweise ein Lied des
brasilianischen Liedermachers Vinicius de Morales, auf dessen Platte aus dem Jahr 1962 er
in der entsprechenden Fussnote verweist (Nr. 215), den Filmemacher Wim Wenders (Nr. 203),
den Theologen Karl Rahner (Nr. 88), an vielen Stellen Thomas von Aquin, anerkannte
Philosophen wie Gabriel Marcel (Nr. 87) oder Paul Ricœur (Nr. 102), den umstrittenen Georg
Simmel (Nr. 150), den zukünftigen Papst Karol Wojtyla (Nr. 88), der als junger Bischof das
Buch «Liebe und Verantwortung» verfasste, aber auch Meister der Spiritualität wie René
Voillaume (Nr. 193), und bezieht sich besonders gerne auf die Heilige Schrift, seine
Vorgänger, Bischofskonferenzen aus der ganzen Welt, seine eigenen Schriften oder
Interviews und insbesondere auf seinen Freund, den grossen Imam der Universität Al Azhar
Ahmad Al-Tayyeb, mit dem er im Februar 2019 in Abu Dhabi das «Dokument über die
Brüderlichkeit aller Menschen für ein friedliches Zusammenleben in der Welt»
unterzeichnete. Seine Überlegungen schliesst der Papst mit einer Erinnerung an ihren
gemeinsamen Aufruf ab.
Darüber hinaus zollt der Heilige Vater Martin Luther King, Desmond Tutu, Gandhi und nicht
zuletzt Bruder Charles de Foucauld, der ihn zum am Ende der Enzyklika vorgeschlagenen
Gebet inspiriert hat, Tribut.
Auffallend ist, dass kaum Frauen direkt zitiert werden, obgleich ihre Sache angesprochen
und die Geschwisterlichkeit gendergerecht und überall im Dokument unterstrichen wird: «So
wie es inakzeptabel ist, dass eine Person weniger Rechte hat, weil sie eine Frau ist, so
ist es auch nicht hinnehmbar, dass der Geburts- oder Wohnort schon von sich aus mindere
Voraussetzungen für ein würdiges Leben und eine menschenwürdige Entwicklung liefert.» (Nr.
121).
Gleich einer Reise zu den christlichen Quellen und Ressourcen des interreligiösen
Dokuments von Abu Dhabi
Es entsteht in der Tat der Eindruck, als ob Papst Franziskus den Aussagen des oben
erwähnten Dokuments von Abu Dhabi eine christliche Grundlage oder Konsistenz vermitteln,
aber auch den sozialen Aspekt seiner vorangehenden Enzyklika über ökologische Fragen,
Laudato si’, noch einmal unterstreichen wolle.
Franziskus von Assisi und das Gleichnis vom barmherzigen Samariter, das eingehend
analysiert wird, geben den Ton an und erinnern beiläufig daran, dass «wir alle etwas vom
verletzten Menschen haben, etwas von den Räubern, etwas von denen, die vorbeigehen, und
etwas vom barmherzigen Samariter» (Nr. 69). Nebenbei erinnert der Papst daran, dass Jesus
selbst als «Samariter» verspottet worden war (nach Johannes 8,48, Nr. 83). Aber die Sorge
des Papstes um ein gutes Verständnis des christlichen Beitrags zu den Problemen der
Menschheit zeigt sich vor allem in den Passagen über «den unvermeidlichen Konflikt, die
legitimen Kämpfe und die Vergebung, den wahren Sieg, die Erinnerung» (Nr. 237–254). Es
geht um eine Vergebung, welche die Gerechtigkeit nicht aufgibt, aber frei von Hass ist.
Unter Nr. 255–270 werden die beiden Möglichkeiten der «Eliminierung des Anderen»
analysiert und abgelehnt. Die eine Eliminierung – der Krieg – wird von Ländern angewendet,
die andere – die Todesstrafe – von Menschen angeordnet. Es sind sehr ausführliche Seiten
von bemerkenswerter Tiefe. Es wird sogar wiederholt, denn der Papst zitiert sich selbst:
«Die lebenslange Freiheitsstrafe ist eine versteckte Todesstrafe» (Nr. 268). Es geht um
nichts weniger als die unveräusserliche Würde eines jedes Menschen. Punkt. Aber eben ein
«Punkt», der im Geist der Enzyklika für den Dialog offen bleiben muss, damit er überzeugen
kann!
Eine pandemische Gewissensprüfung
Diese Enzyklika ist ein sowohl leidenschaftlicher als auch rationaler Appell an alle
Menschen «guten Willens, jenseits ihrer religiösen Überzeugungen» (Nr. 56), an alle
Völker, Institutionen und Regierungen, zugunsten eines echten postpandemischen Bemühens um
einen radikalen Wandel hin zu einer aktiven und universellen Achtung der Geringsten, der
Ärmsten, der Gefährdetsten, deren Würde keine Ausnahme dulden kann. «Wenn uns das
Aussterben bestimmter Arten Sorgen bereitet, sollte uns erst recht der Gedanke
beunruhigen, dass es überall Menschen und Völker gibt, die ihr Potenzial und ihre
Schönheit aufgrund von Armut oder anderen strukturellen Grenzen nicht entfalten können.
Denn dies führt letztendlich zur Verarmung von uns allen.» (Nr. 137).
Der Papst stellt schonungslos fest, dass wir «Analphabeten sind, wenn es darum geht, die
Gebrechlichsten und Schwächsten unserer entwickelten Gesellschaften zu begleiten, zu
pflegen und zu unterstützen» (Nr. 64).
Der Heilige Vater beschreibt den Rassismus als ein Virus der schlimmsten Art, «das leicht
mutiert und das, anstatt zu verschwinden, weiter im Verborgenen lauert» (Nr. 97), und den
radikalen Individualismus als «das am schwersten zu besiegende Virus» (Nr. 105).
Liebe durch Dialog – die einzige Antwort auf alle Übel
Die Liebe wird als die einzige solide Grundlage für Beziehungen nicht nur zwischen
Menschen, sondern auch zwischen Kulturen, Religionen und Nationen dargestellt: «Wir sind
für die Fülle geschaffen, die man nur in der Liebe erlangt» (Nr. 68). Alles, was lediglich
eine Vereinbarung oder ein Kompromiss ist, der allen zugutekommt, bleibt fragil. Und
selbst Tugenden «ohne Nächstenliebe erfüllen die Gebote streng genommen nicht so, wie Gott
das beabsichtigt» (Nr. 91). Denn «die grösste Gefahr besteht vielmehr nicht in den Sachen,
in den materiellen Wirklichkeiten, in den Organisationen, sondern in der Art und Weise, in
der die Menschen sie benutzen» (Nr. 166). Es ist die Entdeckung des Anderen und des
Unterschieds, die es ermöglicht, sich gegenseitig zu ergänzen und so menschlicher zu
werden. Der Dialog ist der königliche und zertifizierte Weg, der ermöglicht, dieses Ziel
zu erreichen!
Der Glaube an Gott allein reicht nicht aus
Die Gläubigen allgemein werden gehörig abgekanzelt: «An Gott zu glauben und ihn anzubeten
ist keine Garantie dafür, dass man auch lebt, wie es Gott gefällt» (Nr. 74, siehe auch Nr.
86). Es werden in der Enzyklika zahlreiche Beispiele dafür – sowohl in Bezug auf das
persönliche als auch auf das kollektive Verhalten – angeführt ...
So wird auch auf die persönliche Verantwortung hingewiesen: «Wir dürfen nicht alles von
denen erwarten, die uns regieren; das wäre infantil» (Nr. 79)! Also: «Wenn jemand Wasser
im Überfluss besitzt und trotzdem sorgsam damit umgeht, weil er an die anderen denkt, tut
er das, weil er ein moralisches Niveau erreicht hat, das es ihm erlaubt, über sich und die
Seinen hinauszublicken.» (Nr. 117).
Vor allem aber erinnert uns der Papst am Ende der Enzyklika daran, dass die Vertreibung
Gottes bedeutet, den Menschen den Götzen auszuliefern (Nr. 271–284).
Brüderlichkeit aus Menschlichkeit oder das Fundament, auf dem man bauen kann
Wenn sich der Heilige Franziskus von Assisi an seine Brüder und Schwestern im Glauben
wandte, indem er «alle Brüder» sagte (der Titel der Enzyklika ist daher in allen Sprachen
auf Italienisch geblieben), und wenn er sich gegenüber jeder Frau und jedem Mann wie ein
Bruder verhielt, und selbstverständlich auch gegenüber einem Sultan in Ägypten, so geht
das auf Jesus zurück, sagt der gleichnamige Papst, denn in Matthäus 23,8 sagt Jesus: «Ihr
seid alle Brüder und Schwestern» (Nr. 95). Mit anderen Worten: Man kann nichts dagegen
tun, so ist es nun einmal. Dies ist das eigentliche Fundament der sozialen Freundschaft,
das Fundament dieser Menschlichkeit, die uns zutiefst gemeinsam ist. Der unausweichliche
Anspruch auf gleiche Rechte für jeden Menschen «ergibt sich schon aus der Tatsache, eine
unveräusserliche Menschenwürde zu besitzen» (Nr. 127), und zwar derart, dass der Papst uns
dazu aufruft, sogar «auf die diskriminierende Verwendung des Begriffs Minderheiten zu
verzichten» (Nr. 131) und, statt für sie, mit und für andere, insbesondere die Armen zu
handeln (Nr. 169). Dass wir alle Brüder und Schwestern sind, ist sozusagen die schönste
aller Unabwendbarkeiten, die von der Vorsehung gewollte Gelegenheit, das Glück des Liebens
und Geliebt-Werdens zu entdecken! Es ist dieses grundlegende Gefühl der Zugehörigkeit zu
ein und derselben Familie (Nr. 230), das uns den Sinn für das Gemeinwohl öffnet.
Ausserdem, meint Papst Franziskus, geht ja nichts, was aus Liebe getan wird, verloren (Nr.
195)!
Fratelli tutti? Ein Aufruf, der zugleich Warnung und Gebet ist
Der Papst warnt: «Wir werden die Probleme unserer Zeit nur gemeinsam oder gar nicht
bewältigen» (Nr. 137)!
Und dennoch schliesst er voller Hoffnung mit einem Gebet, das er uns sowohl in einer
interreligiösen als auch in einer christlichen Version anbietet.
+ Alain de Raemy
Im Namen des Präsidiums der Schweizer Bischofskonferenz
Freiburg, 4. Oktober 2020
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Encarnación Berger-Lobato
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