[cid:image001.png@01CFA1B0.CF97C5A0]
An die Medien
Die Kommission Justitia et Pax der katholischen Kirche im Heiligen Land ruft eindringlich
zu einem radikalen Wandel in Israel und Palästina auf. Justitia et Pax in der Schweiz
unterstützt diesen "Appell für einen mutigen Wandel".
Appell für einen mutigen Wandel
"Man hört Klagen und bitteres Weinen; Rahel beweint ihre Kinder und will sich nicht
trösten lassen -
um ihrer Kinder, denn sie sind nicht mehr" (Jeremia 31,15).
Eine Realität der Gewalt und des Trauerns
Israel und Palästina versinken in Trauer. Trauer der Mütter und Väter, Brüder und
Schwestern, Geliebte der jungen Menschen, die zum Opfer der jüngsten Gewaltausbrüche in
diesem Land wurden. Einige von ihnen kennen wir, da sie durch detaillierte
Medienberichte über ihr Leben, durch Interviews mit den Eltern, in unserer Vorstellung
lebendig werden, wobei viele andere nur namen- und gesichtslose statistische Zahlen
bleiben. Selektive Berichterstattung, Trauer und Andenken sind selbst Teil der
Gewaltspirale.
Wir sprechen unser aufrichtiges Beileid aus für alle Israelis und Palästinenser, die
trauern. Wir müssen weiterhin darum beten, dass jene, die kürzlich sterben mussten, die
letzten sein werden, die auf grausame Weise in dieser hasserfüllten und rachsüchtigen
Eskalation ihr Leben verloren.
Eine Sprache, die Gewalt begünstigt.
"So ist auch die Zunge nur ein kleines Glied, aber sie rühmt sich großer Dinge.
Sieh, wie klein ist das Feuer und wie gross der Wald, den es in Brand steckt! Auch die
Zunge ist ein Feuer. Als die Welt der Ungerechtigkeit steht die Zunge unter unseren
Gliedern da als jenes, das den ganzen Leib befleckt und das Rad des Lebens in Brand setzt
und selber von der Hölle in Brand gesetzt ist. (...) Mit ihr preisen wir den Herrn und
Vater, und mit ihr verfluchen wir die Menschen, die nach Gottes Ebenbild geschaffen
sind." (Jakobus 3,5-6, 9)
Unsere Hoffnung, den Kreislauf der Gewalt zu durchbrechen, ist zerbrochen durch die
unverantwortlichen Rede von kollektiver Bestrafung und Rache, die Gewalt hervorruft und
das Wachsen jeder Alternative erstickt. Viele in Machtpositionen und in politischer
Verantwortung bleiben unbelehrbar und sind nicht bereit, den Weg des Dialogs zu
beschreiten, sondern gießen mit Worten und Taten Öl ins Feuer, was den Konflikt weiter
schürt.
Die gewaltvolle, nach Vergeltung rufende Sprache auf Israels Straßen wird durch die
Haltung und Äußerungen einer politischen Führung angeheizt, die einen diskriminierenden
Diskurs schürt, welcher die exklusiven Rechte nur für eine Gruppe und für die Besatzung
fördert, mit all ihren verheerenden Folgen. Siedlungen werden errichtet, Land
beschlagnahmt, Familien getrennt, Angehörige verhaftet und sogar ermordet. Die
Besatzungsmacht scheint zu glauben, dass ihre Besatzung Erfolg erzielen wird, wenn sie den
Willen der Menschen nach Freiheit und Würde unterdrückt. Sie scheinen zu glauben, dass
ihre Entschlossenheit die Opposition zum Schweigen bringen und das Falsche ins Richtige
verwandeln wird.
Die gewaltvolle, nach Vergeltung rufende Sprache auf den Straßen in den palästinensischen
Gebieten wird durch die Haltung und Äußerungen derjenigen angeheizt, die an der Hoffnung
auf eine gerechte Lösung des Konflikts auf dem Verhandlungsweg verzweifelt sind.
Diejenigen, die nach dem Aufbau einer totalitären und monolithischen Gesellschaft streben,
in der es keinen Platz für Unterschiede und Vielfalt gibt, erhalten breite Unterstützung
und nutzen die hoffnungslose Situation aus. Zu denen sagen wir auch: Gewalt als eine
Antwort auf Gewalt fördert nur mehr Gewalt.
Durchbrechen der Gewaltspirale
Papst Franziskus, der am 8. Juni 2014 im Vatikan für Frieden in Israel und Palästina
betete, sagte: "Um Frieden zu schaffen, braucht es viel mehr Mut, als um Krieg zu
führen. Es braucht Mut, um Ja zu sagen zur Begegnung und Nein zum Konflikt; Ja zum Dialog
und Nein zur Gewalt; Ja zur Verhandlung und Nein zu Feindseligkeiten; Ja zum Einhalten der
Vereinbarungen und Nein zu Provokationen; Ja zur Aufrichtigkeit und Nein zur
Doppelzüngigkeit. Für all das braucht es Mut, es braucht Kraft und Entschlossenheit."
Wir müssen begreifen, dass die Entführung und kaltblütige Ermordung der drei israelischen
Jugendlichen und der brutale Rachemord an dem palästinensischen Jungen das Resultat von
Ungerechtigkeit und Hass sind, die die Besatzung in jenen schürt, die in ihren Herzen
anfällig dafür sind. Der Tod dieser Menschen ist in keinem Fall gerechtfertigt und wir
trauern mit denjenigen, die den Verlust dieser jungen Menschen beweinen. Die
Instrumentalisierung des Todes der drei Israelis, um eine kollektive Bestrafung der
Palästinenser durchzuführen und Ihr legitimes Recht auf Freiheit abzusprechen, ist eine
tragische Ausnutzung einer Tragödie, die neue Gewalt und Hass hervorruft.
Gleichzeitig müssen wir anerkennen, dass Widerstand gegen Besatzung nicht mit Terrorismus
gleichgesetzt werden darf. Widerstand gegen Besatzung ist ein legitimes Recht, Terrorismus
ist ein Teil des Problems. Nochmals sagen wir allen: Gewalt als eine Antwort auf Gewalt
fördert nur mehr Gewalt.
Die gegenwärtige Situation in Gaza ist ein Ausdruck der Endlosspirale der Gewalt ohne
jegliche alternative Zukunftsperspektive. Das Durchbrechen dieser Gewaltspirale liegt in
der Verantwortung von allen, Unterdrückern und Unterdrückten, Opfern und Tätern. Damit sie
dieses Ziel anstreben, müssen
sich Menschen als Geschwister sehen und nicht als Gegner.
Notwendigkeit eines radikalen Wandels
Wir benötigen einen radikalen Wandel. Israelis und Palästinenser müssen gemeinsam die
negativen Einstellungen des gegenseitigen Misstrauens und Hasses ablegen. Wir sind
aufgefordert, unsere junge Generation in einem neuen Geist zu erziehen, einem Geist, der
die existierenden Unterdrückungs- und Diskriminierungsmentalitäten aufbricht. Wir müssen
jede politische Führung abschaffen, die von der Gewaltspirale lebt. Wir müssen
Führungspersönlichkeiten finden und unterstützen, die entschlossen sind, sich für
Gerechtigkeit und Frieden einzusetzen und die sich bewusst sind, dass hier drei Religionen
leben, Judentum, Christentum und Islam , und zwei Völker: Palästinenser und Israelis.
Wir müssen Führungspersönlichkeiten finden, die angesichts der Dringlichkeit der
gegenwärtigen Lage weitsichtig und mutig genug sind, die schwierigen Entscheidungen zu
treffen; Führungspersönlichkeiten, die, wenn nötig, bereit sind, ihre eigene politische
Karriere für einen gerechten und dauerhaften Frieden zu opfern. Solche
Führungspersönlichkeiten sind berufen, Heiler und Stifter von Frieden und Gerechtigkeit zu
sein sowie Visionäre für Alternativen zur Gewaltspirale.
Wir erinnern uns an den jüngsten Besuch von Papst Franziskus in unserer Region und damit
an seinen beständigen Aufruf zu Gerechtigkeit und Frieden. In seinem Treffen mit der
palästinensischen Führung erklärte er: "Indem ich denen meine Nähe bekunde, die am
meisten unter den Folgen des Konflikts leiden, möchte ich aus tiefstem Herzen sagen, dass
es Zeit ist, dieser Situation, die immer unerträglicher wird, ein Ende zu breiten. Zum
Wohle aller müssen sich die Anstrengungen und die Initiativen zur Schaffung der Grundlagen
für einen stabilen Frieden verdoppeln, einen Frieden, der auf Gerechtigkeit, auf die
Anerkennung der Rechte eines jeden und auf gegenseitiger Sicherheit gegründet ist. Es ist
für alle die Zeit gekommen, den Mut zur Großzügigkeit und zur Kreativität im Dienst des
Gemeinwohls aufzubringen." (25. Mai, 2014). Weiter sagte er beim Treffen mit der
israelischen Führung: "In diesem Zusammenhang bringe ich erneut den Wunsch zum
Ausdruck, dass alle beteiligten Parteien Initiativen und Taten vermeiden, die dem
erklärten Willen, eine wirkliche Einigung zu erzielen, zuwiderlaufen, und dass man
unermüdlich mit Entschlossenheit und Treue den Frieden sucht. Ebenso muss alles
entschieden abgelehnt werden, was dem Streben nach Frieden und eines respektvollen
Zusammenlebens von Juden, Christen und Muslimen entgegensteht." (26. Mai, 2014)
Rolle der religiösen Führer
Unsere Rolle als religiöse Verantwortungsträger besteht darin, in einer prophetischen
Sprache eine Alternative jenseits der Spirale des Hasses und der Gewalt aufzuzeigen. Diese
Sprache weigert sich, Kinder Gottes als Feinde zu benennen. Diese Sprache ermöglicht, dass
sich die Menschen als Brüder und Schwestern verstehen. Beim Friedensgebet forderte Papst
Franziskus auf: "Wir haben einen Ruf vernommen, und wir müssen antworten - den Ruf,
die Spirale des Hasses und der Gewalt zu durchbrechen, sie zu durchbrechen mit einem
einzigen Wort: 'Bruder'. Doch um dieses Wort auszusprechen, müssen wir alle den
Blick zum Himmel erheben und uns als Söhne eines einzigen Vaters erkennen."
Religiöse Verantwortungsträger sollen eine Sprache der Verantwortung sprechen, so dass sie
ein Werkzeug dafür wird, die Welt von einer dunklen Wüste des Todes in einen blühenden
Garten des Lebens zu verwandeln.
"Selig sind, die da hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt
werden.
Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.
Selig sind, die reines Herzens sind; denn sie werden Gott schauen.
Selig sind die Friedfertigen; denn sie werden Gottes Kinder heißen."
(Matthäus 5,6-9).
Originaltext:
http://en.lpj.org/2014/07/10/call-for-a-courageous-change/
Simon Spengler
Informationsbeauftragter der Schweizer Bischofskonferenz und
Geschäftsführender Sekretär der Kommission für Kommunikation und Medien
Rue des Alpes 6, PF 278
1701 Fribourg
simon.spengler(a)bischoefe.ch
+41 26 510 15 28
+41 79 667 27 75